Mit dem Winter – dem Schnee – der Dunkelheit – der Kälte – kehrt Stille ein. Eine Zeit, die zum Innehalten einlädt. Oder doch nicht? In einer Welt, die von ständiger Erreichbarkeit, Lärm, Hektik, Kaufzwängen und der Flut an Informationen geprägt ist, scheint das Stillsein ein immer selteneres Gut zu werden. Erling Kagge spricht in seinem Buch „Stille – Ein Wegweiser“ in diesem Zusammenhang von den „Zeiten des Lärms“, in denen die Stille unter Druck gerät und mehr und mehr verschwindet.
Doch gerade in dieser lauten und schnellen Umgebung liegt in der Stille eine immense Kraft.
Was bedeutet für dich Stille? Sehnst du dich nach Stille? Hältst du sie gar nicht aus? Wo findest du Stille? In dir selbst? Oder im Außen?
Stille kann langweilig, abweisend, unangenehm, beängstigend wirken. Sie kann ein Zeichen von Einsamkeit oder Trauer sein. Gerade dann ist die Stille oft nur sehr schwer zu ertragen. Die Angst vor der Leere oder der in ihr aufkeimenden inneren Unruhe kann uns dann dazu bringen, unser natürliches Bedürfnis nach Stille zu ignorieren. Es fällt uns dann oft schwer, untätig zu sein, einfach nur dazusitzen und die Zeit zu genießen, wenn es still um uns herum ist und nichts geschieht. Das Zeitalter des Smartphones hält uns dabei zusätzlich vom stillen Untätigsein ab. Psychologe Oliver Scheibenbogen bezeichnet in seiner Habilitationsschrift den Menschen bereits als „Phono sapiens“ (Parodos-Verlag, 2022). Er spricht davon, dass wir besonders anfällig sind für die psychoaktiven, also drogenähnlichen Wirkungen neuer mobiler Endgeräte wie Smartphones, Tablets und Co. Mit ihnen lenken wir uns rund um die Uhr ab und zerstreuen uns. Auf den ersten Blick ist das sehr unterhaltsam. Aber wir können auch danach süchtig werden und – wie bei anderen Süchte auch – am Ende unsere ganze Energie verlieren.
Denn die Stille kann auch eine enorm bereichernde Kraft sein. Sie verschafft uns Ruhe und eröffnet uns wertvolle Erholungspausen. Wir können entschleunigen, durchatmen, uns sammeln und wieder zu uns selbst kommen. Sie lässt uns Dinge neu betrachten, unser Geist kann sich weiten, unsere Kreativität und unsere Achtsamkeit werden geschärft. In der Stille haben wir einen Raum, in dem wir alles und sogar uns selbst einen Moment lang loslassen können.
Eine kleine Übung dazu:
Mach einen Spaziergang in die Natur. Nimm einen Gegenstand den du am Wegrand findest, und bestaune ihn wie ein kleines Kind, betrachte ihn ganz genau, jedes Detail, von allen Seiten – konzentriere dich voll und ganz auf diesen Gegenstand, wie auf ein Wunder, staunend, so als würdest du so etwas das allererste Mal sehen.
Du erzeugst damit einen Moment der Achtsamkeit, und du wirst merken: für diesen Moment lang wird es ganz „still in dir“. Diese Art von Stille erzeugst du selbst. Wenn du dich etwa auf deinen Atem konzentrierst und ihn beobachtest, sorgst du auch für so einen Moment der Achtsamkeit. Es geht darum, bewusst innere Ruhe zu erzeugen, obwohl es im Außen nicht still ist. Wenn wir uns ganz auf etwas fokussieren, wenn wir in einer Tätigkeit aufgehen, wenn wir im Flow sind, dann blenden wir das Außen aus, ohne uns Abzulenken. Bei einer Meditation, beim Yoga, beim Langlaufen, beim Basteln, beim Malen, vor einem knisternden Lagerfeuer sitzend, usw. schaffen wir aktiv Räume für die positive Kraft der inneren Stille.
Die Stille im Außen können wir bei einem Spaziergang im Wald, über Felder und Hügel und Wiesen finden. Das Rauschen der Blätter im Wind oder das sanfte Plätschern eines Baches laden uns ein, innezuhalten, uns auf das Hier und Jetzt einzulassen und den Moment zu genießen. Die Stille in der Natur lehrt uns, dass Stille nicht zwangsweise Abwesenheit von Geräuschen ist, aber immer eine Quelle der Inspiration, der Kreativität und des Trostes.
Jeder von uns erlebt die Stille ein wenig anders. Jeder darf seine eigene Stille finden. Daher ist es wichtig, dass wir alle unserem eigenen Weg der Stille folgen. Denn es ist leichter, Stille zu finden, als wir glauben. Es sind oft ganz kleine Rituale, die uns helfen, einen Moment der Ruhe zu finden und uns wieder mit unserem eigenen selbst zu verbinden.
Gerade in einer Zeit, in der das Streben nach Erfolg und Geschwindigkeit uns so unaufhaltsam antreibt, gilt es die Stille wieder weniger als Schwäche, sondern mehr als Stärke zu begreifen.
In der Stille liegt die Antwort auf viele Fragen – wir müssen nur wieder lernen, ihr zuzuhören.
Viele Genussmomente in der Stille wünscht dir vom Herzen,
Sabine
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